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Unbemannte Flugsysteme in der medizinischen Versorgung

Logistik mit Drohnen

Interview Rhein Zeitung (Langversion)

Das Interview wurde von Alexander Thieme-Garmann für die Rhein Zeitung geführt und am 25. September in der Print-Version der Zeitung veröffentlicht. Folgend die Langversion des Interviews.
Fragen und Foto Alexander Thieme-Garmann

  1. Eignet sich ein bestimmter Bautyp bzw. Antrieb bzw. Steuerung für den medizinischen Transport besonders?  
    Bei der Auswahl des Drohnentyps gibt es im Wesentlichen drei zu berücksichtigende Faktoren. Das sind die benötigte Reichweite, das mögliche Transportgewicht und die Wirtschaftlichkeit. Flächenflieger, also Drohnen in Form eines Flugzeuges, haben sich dabei vor allem für die Mittel- und Langstrecke als geeignet herausgestellt. Auf Kurzstrecken kommen die Vorteile dieses Drohnentyps eher nicht zur Geltung. Auch sind auf Kurzstrecken Bodenfahrzeuge, wie zum Beispiel Lastenfahrräder, wesentlich einfacher zu organisieren. Beim Antrieb sind wir auf batteriegetrieben Antriebe festgelegt. Diese sind leise, ökologisch, lassen sich gut ansteuern und, was in Deutschland ganz wichtig ist, diese sind eher zulassungsfähig als knatternde mit Benzin angetriebene Verbrennungsmotoren. 

  2. Wie wirkt sich der Einsatz verschiedener Drohnentypen auf die Umwelt aus? 
    Es gibt einige theoretische Berechnungen, die eine Einsparung an CO2-Emissionen prognostizieren. Betrachtet man die Gesamtsumme der im Bereich der Mobilität anfallenden CO2-Emissionen, bewegen sich die durch die Drohnenlogistik erreichbaren Einsparungen aber eher im homöopathischen Bereich. Wir können trotzdem Umwelteffekte nachweisen. Beispielsweise können wir mit der Verlagerung von Transportprozessen in die Luft den Verkehr auf der Straße entlastet. Wirkungen sind hier weniger Staus und weniger Belastung der Infrastruktur. Warum muss eigentlich eine kleine Transportmenge von vielleicht 10 Kilogramm mit einem 2-Tonnen schweren Fahrzeug transportiert werden? Eine leichte Drohne mit einem Abfluggewicht von unter 50kg kann diese Transporte wesentlich besser erledigen. Hier können wir relevante ökologischen Effekte gut mit sogenannten CO2-Equivalenten berechnen. Im direkten Vergleich mit dem Fahrzeug am Boden hat die Drohne fast in allen Bereichen die Nase vorn. 

  3. Wie wirkt sich deren Einsatz auf die Tierwelt aus?
    Das ist eine gerade in den Umweltämtern sehr kontrovers diskutierte Frage. Die mögliche Belastung ist maßgeblich vom Drohnentyp, also von der Größe der Drohne und der Art des Antriebes abhängig. Eine militärische Drohne mit 15 Meter Flügelspannweite und einem kraftstoffgetriebenen Motor ist laut und kann bei niedriger Flughöhe von Menschen und auch von Tieren als störend empfunden werden. Die meisten batteriegetriebenen Drohnen, wie diese auch in der medizinischen Logistik eingesetzt werden, haben dagegen keinen messbaren Einfluss auf die Tierwelt. Es gibt einige Studien, die suggerieren, dass Drohnenflüge die Tierwelt beeinflussen. Diese basieren aber eher auf theoretischen Denkmodellen oder auf nicht praxisrelevante Versuchsanordnungen. Nach Auswertung von über 600 Flügen, konnte ich keine relevanten Einflüsse auf die Tierwelt erkennen. Dazu habe ich eine ausführliche und aussagekräftige Dokumentation vorgelegt. 

  4. Mit welchen Vorurteilen bzw. falschen Vorstellungen hinsichtlich des Drohneneinsatzes muss aufgeräumt werden?
    Drohnen werden nicht die Welt retten. Mit deren Hilfe können wir aber einige Aufgaben besser erledigen. Die Aussage, dass Drohnentransporte im Vergleich zu Bodentransporte billiger sind, stimmt eher nicht. Eine gute Logistik-Drohne kostet so viel wie ein Fahrzeug der Oberklasse. Es hat einen wirtschaftlichen Grund, warum Pakete am Boden nicht mit einer Mercedes S-Klasse ausgeliefert werden. Die Drohne steht mit dem Bodentransport wirtschaftlich im Wettbewerb. Die Krankenkassen werden mit Sicherheit nicht die Beiträge erhöhen, nur weil es cool ist, Drohnen für die Logistik einzusetzen. Erst wenn wir hoch-automatisiert fliegen und die zulassenden Behörden dies auch so genehmigen, werden wir die Vorteile von Drohnentransporten voll ausschöpfen und wirtschaftlich fliegen können. In China wird uns bereits gezeigt, wie das funktionieren kann. In Shenzen liefern in Deutschland entwickelte Drohnen täglich bis zu 30.000 Pakete aus. Dort überwacht ein Pilot bis zu 20 automatisch fliegende Drohnen. Das funktioniert in China mit deutschen Drohnen schon sehr gut. In Deutschland haben wir sensationell gute Drohnenentwickler. Gegenüber beispielsweise China hängen wir im Bereich der rechtlichen Regelungen aber einige Jahre hinterher. Drohnen werden in Deutschland richtigerweise nur unter klar definierten Bedingungen eingesetzt und können derzeit nur auf vorher definierten und zugelassenen Routen fliegen. Eine große Herausforderung ist, dass wir unsere Drohnen in den in Europa sehr stark regulierten Luftraum integrieren uns diesen mit der bemannten Luftfahrt teilen müssen. Das ist nicht ganz einfach. Auch müssen wir bedenken, dass Drohnen beispielsweise nicht bei starkem Wind und bei starkem Regen fliegen dürfen. Das bedeutet, dass wir immer auch eine funktionierende Bodenlogistik bereithalten müssen. Es gibt noch einige Herausforderungen, die aber definitiv alle lösbar sind. Im Bereich der Entwicklung von Drohnen, ist Deutschland, wie ich bereits gesagt habe, immer noch eines der führenden Länder weltweit.

  5. Welche Punkte werden beim Genehmigungsverfahren überprüft und wem vorgelegt?
    Die Zulassungsverfahren sind bei den Luftfahrtbehörden zu führen. Es gibt aber noch andere Behörden, die ihr „OK“ geben müssen. Beispielsweise muss die Umweltverträglichkeit und auch die Einhaltung des Datenschutzes nachgewiesen werden. Ein Unternehmen, welches als Drohnenflüge organisiert, muss fast wie eine Airline in der bemannten Luftfahrt organisiert sein. Es müssen Organisationsstruktur und das Rollenmodell im Betreiber-Unternehmen dargestellt werden. Auch muss nachgewiesen werden, dass die Prozesse im Flugbetrieb so organisiert werden, dass das höchste Maß an Sicherheit garantiert werden kann. Dann gibt es für jede Strecke eine Risikoberechnung. Dabei wird das Luftrisiko und das Bodenrisiko jeder einzelnen Strecke bewertet. Im Risikomanagement muss also nachgewiesen werden, dass die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes mit einem anderen Luftfahrzeug in der Luft nahezu ausgeschlossen werden kann und im unwahrscheinlichen Fall eines Absturzes der Drohne, Menschen am Boden nicht gefährdet werden. Es gibt noch andere Nachweise, die im Zulassungsverfahren erbracht werden müssen. Mein letzter Antrag auf Zulassung eines Flugbetriebes, hatte übrigens einen Umfang von knapp 300 Seiten. 

  6. Hat der Transport mittels Drohnen eine Umwälzung des logistischen Systems zur Folge?
    Der Einsatz von Drohnen wird die Logistik nicht revolutionieren, aber flexibler machen. Die Drohne ist ein zusätzliches Transportmittel, welches unter bestimmten Bedingungen erhebliche Vorteile bringen kann. Vergleicht man die Möglichkeiten der Automatisierung in der Transportlogistik, sind wir mit Drohnen den sogenannten selbstfahrenden Fahrzeugen um vielleicht 15 bis 20 Jahre voraus. Wenn wir es also wirklich schaffen, dass wir die zur Verfügung stehenden technisch wirklich guten Drohnen frei und automatisiert fliegen lassen können, dann werden wir sehr leise und so gut wie unbemerkt Transportgüter über den Luftweg zu jeder Tag- und Nachtzeit ausliefern können. Allein in der medizinischen Logistik können wir Praxen und Krankenhäuser unabhängig von verfügbaren Fahrern und Fahrzeugen sehr zeitnah mit Ergebnissen von Laboranalysen versorgen, wir können nach Unfällen sehr schnell benötigte Blutkonserven zum Unfallort transportieren oder auch eilig benötigte Medikamente ausliefern. Wie aber schon bemerkt, werden wir diese Services nur erbringen können, wenn wir die Drohnenlogistik durch eine hohe Automatisierung wirtschaftlich implementieren können. Technische können wir das bereits. Wenn in Deutschland die Politik und die Behörden mitmachen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, werden das auch so umsetzen. 
Cover Ökologische Effekte durch Drohnen

Book Title
Ökologische Effekte durch Drohnen

Book Subtitle
Analyse von Einflussfaktoren für nachhaltige Logistiklösungen im Gesundheitswesen

Author
Holger Schulze

DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-70921-4

Publisher
Springer Vieweg Berlin, Heidelberg

eBook Packages
Computer Science and Engineering
(German Language)

Copyright Information

Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2025

Hardcover ISBN
978-3-662-70920-7
Published: 25 May 2025

eBook ISBN
978-3-662-70921-4

Published: 24 May 2025
Edition Number
1

Number of Pages
XXI, 279

Number of Illustrations
4 b/w illustrations,
50 illustrations in colour

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